Reflex-Schirme

Wegen des derzeit steigenden Interesses bei vielen Piloten, aber auch aus aktuellem Anlass (tödlicher Unfall Wojtek Hewig) möchte ich nachfolgend ein paar Infos zu Reflex-Schirmen geben:

Disclaimer

Dieser Artikel dient der Information und ist keine Aufforderung einen Reflex-Schirm zu fliegen. Wer es trotzdem tut, sollte sich umfassend informieren und dann wissen, was er tut.

Ausführliche Infos…

…findet man auf der Seite des PAP-TEAM Germany.

Warum?

Eigentlich gibt es nur einen Grund (für Motorschirmpiloten) einen Reflexschirm fliegen zu wollen:  Er fliegt deutlich schneller. 50 km/h mit offenen Trimmern und 65 und mehr km/h (je nach Schirm und angehängter Last) mit zusätzlichem Beschleuniger. Da man mit dem Motorschirm oft bei Windstärken von 30-40 km/h fliegt (Höhenwind), ist ein Flug gegen den Wind mit einem „normalen“ Schirm relativ sinnlos. Es gibt zwar spezielle Motorschirme z.B. Sting von Powerplay, die mit offenen Trimmern auch ca. 50 km/h fliegen, dies wird aber mit Stabilitätsverlust erkauft. Und auch dann benötigt man gegen den Wind zuviel Zeit (Sprit) für zu wenig Stecke. Mit 65 km/h kommt man gegen einen 40 km/h-Wind immerhin mit 25 km/h vorwärts, zurück sind es dann gigantische 105 km/h!!!

Technologie

Grob gesprochen ist bei einem Reflex-Profil die Hinterkante des Schirms nicht nach unten, sondern (bei offenen Trimmern) nach oben „gebogen“. Bei geschlossenen Trimmern (Start, Steigflug, Landung) ist es ein „normaler“ Schirm, der wie üblich gesteuert wird. Ggf. fühlt er sich dann etwas weicher und instabiler an.
Das bei offenen Trimmern nach oben gezogene Profil stellt eine Art Höhenruder dar und stabilisiert den Schirm zusätzlich. Es funktioniert ähnlich wie die Stabilisierung durch Anbremsen, allerdings mit Steigerung der Geschwindigkeit statt einer Verlangsamung. Durch das „Höhenruder“ kann der Schirm nicht mehr nach vorne „schießen“ und liegt „autostabil“ in der Luft. Zusätzlich kann nun noch der Beschleuniger getreten werden, was den Schirm nochmals um ca. 15 km/h schneller macht.

Euphorie

Geht man unvoreingenommen an die Sache heran, stellt sich Begeisterung ein. Auf den ersten Blick ist dieser Reflexschirm der Stein der Weisen. Er startet und landet wie ein normaler Schirm, fliegt viel schneller und das auch noch bei mit der Geschwindigkeit steigender Stabilität. War man früher für 15 Kilometer oft genug eine Stunde und mehr unterwegs, ist man nun in weniger als einer halben Stunde dort. Ganz zu schweigen vom Rückweg (<10 Minuten)! Das Steigern der Stabilität durch Öffnen der Trimmer und speziell (danach!) durch Treten des Beschleunigers ist spürbar und sehr beeindruckend.

Probleme

Zuerst einmal gibt es ein psychologisches Problem. Mit dem Öffnen der Trimmer verschwinden die Bremsgriffe unereichbar nach oben. Das Verlängern der Bremsen wäre fatal, da bremsen in diesem Fall das Reflex-Profil zerstört und den Schirm destabilisiert. Immer, auch bei Turbulenzen, ohne Bremsen in der Hand (gelenkt wird mit kleinen Schlaufen, die per Hilfs-Leine die Stabis herunter ziehen) zu fliegen, ist schwer gewöhnungsbedürftig.

Zweitens muss man die Sache etwas technischer angehen. Es gibt Trimmerstellungen für den Start, für den Normal- (und Steig-) flug, welche für schnelles Fliegen und solche für die Landung. Und man darf den Beschleuniger nur bei geöffneten Trimmern treten. Man hat also immer mal etwas einzustellen. Fast wie in einer Boeing 🙂

Und dann ist da noch das immer über einem schwebende Damoklesschwert eines Klappers. Da das Profil so extrem stabil ist, klappt es nicht. Oder? Nobody knows… Seit 5 Jahren fliegen immer mehr von den Dingern rum aber es gibt keine Erfahrungen mit Klappern. Was aber würde passieren, wenn irgend jemand in extreme Turbulenzen (Lee, Böen) gerät und das Profil doch zum Klappen bringt? Es ist leicht auszurechnen, dass dann die Post abgeht. Und das alles ohne irgendeine Bremse zum Gegensteuern, Pumpen etc. in der Hand. Wojtek Hewig hat es geschafft (mit speziellen Klappleinen) und ist nun tot.

Fazit

Man kann nach Wojteks Unfall sagen (und das werden die meisten Piloten nun tun, wenn sie den Unfall überhaupt mitbekommen haben) man soll den Schirm nicht künstlich klappen und in der Praxis klappt er nicht. Man kann auch sagen: So eine Kiste fliege ich nicht. Beides ist wohl ok. Der Unfall ist möglicherweise eine direkte Folge der bisher fehlenden deutschen Zulassung, für die es nötig ist, nachzuweisen, dass sich der Schirm nach Klappern selbstständig wieder öffnet (Wojtek wollte dies anscheinend nachweisen). Die deutsche Zulassung (in letzter Zeit gab es Tendenzen dazu) ist nun sicher wieder in die Ferne gerückt.

Möglicherweise gibt es für sehr schnelle Motorschirme aber keine Alternative. Wenn man einen solchen Schirm fliegt, sollte man dies sicherlich nur mit Motor (also viel Gewicht) tun und sich wirklich immer (was eigentlich für alle Gleitschirmpiloten gilt) fern von Lee und Turbulenzen halten!

Und sich der Problematik der fehlenden deutschen

Zulassung

bewußt sein. Z.B. die DHV-Versicherungsbedingungen sagen aus, dass der Versicherungsanspruch erlischt, wenn der Versicherungsfall auf das Fehlen der Zulassung zurückzuführen ist. Dies könnte man so interpretieren, dass zum Beispiel ein Pilotenfehler ja nichts mit der fehlenden Zulassung zu tun hat. Ob das die Vericherung im Schadensfall dann auch so sieht, habe ich noch nicht recherchieren können, es ist zumindest fraglich.

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